Konzerne patentieren die Natur...

Clematis

... und die Ursprungsländer weltweit gehen leer aus! Ein Bericht:

In der vergangenen Woche erschien die Ausgabe 2/2011 des Magazins Stichwort BAYER, das seit 1982 über die Kehrseiten der Geschäftspolitik von BAYER berichtet. Lesen Sie hieraus einen Artikel unseres Autors Jan Pehrke zum Thema Biopiraterie.

Ein kostenloses Probeheft können Sie anfordern unter [email protected]

Biopirat BAYER: Naturstoffe als billige Ressource
Die Fanggründe des BAYER-Konzerns reichen von China über Kenia und
Madagaskar bis in die Untiefen der Weltmeere. Als Beute fährt der Multi
hauptsächlich Rohstoffe zur Produktion von Pharmazeutika und Kosmetika ein.

„Unser Plan: Weltweit als Spezialist für natürliche Inhaltsstoffe aus
tropischen Pflanzen zu gelten, die in Arzneien, Kosmetika und
Beauty-Produkten Anwendung finden“ - diese Unternehmensphilosophie verkündet die französische BAYER-Tochter SERDEX auf ihrer Homepage. Um den Plan zu erfüllen, hat die Firma bereits 2.000 Tropen-Pflanzen gesammelt, analysiert und ihrer Substanz-Bibliothek zugeführt. Als „das Resultat vieler Jahre Forschungsarbeit in Ostafrika und besonders Madagaskar“ bezeichnet der Betrieb seine „Ethno-Botanik“-Kollektion stolz.

In Madagaskar fanden Konzern-Beschäftigte auch den asiatischen Wassernabel, lateinisch: Centella Asiatica, der seit langem in der traditionellen
chinesischen und indischen Medizin zum Einsatz kommt. SERDEX hat es
allerdings mehr auf die ebenfalls altbekannten hautpflegerischen Wirkungen
abgesehen. Und diese entfaltet die Pflanze wie die heilende Effekte nur „in
der freien Wildbahn“, weil sie dort ihr Überleben sichern. Eine Nachzucht
ist nicht möglich. Darum hat die BAYER-Tochter eine eigene Niederlassung in
Morarano. Dort beauftragt sie Subunternehmer mit dem Sammeln des
Wassernabels. Anschließend presst SERDEX die Blätter aus und gewinnt aus 140 Kilogramm ein Kilogramm verwertbaren Extraktes. Nach einem Reinigungsprozess und weiteren Bearbeitungsschritten entsteht dann das Endprodukt.

Das trägt zwar noch den Namen des natürlichen Inhaltsstoffs Madecassoside, gehört nun aber offiziell SERDEX. Die Firma hat sich nämlich gleich fünf hautpflegerische Wirkungen der Substanz patentieren lassen und kann sie deshalb entsprechend teuer an Kosmetik-Konzerne wie L‘OREAL verkaufen. Auch auf Ambiaty, ein Extrakt aus der vom Aussterben bedrohten madagassischen Vernonia-Pflanze, hat der BAYER-Ableger Eigentumsrechte geltend gemacht.

Diese privatwirtschaftliche Aneignung des natürlichen Reichtums der Erde
bereitet dem Konzern keinerlei Probleme. SERDEX zahle den „marktüblichen
Preis“ für die Pflanze, verlautet aus der Zentrale. Damit nicht genug,
betätigt sich das Unternehmen nach eigenen Angaben auch noch als Wohltäter und unterstützt vor Ort ein Schulprojekt. Vollmundig bekennt es sich zu „Fair Trade“ und zur „Nachhaltigen Entwicklung“ und ist überzeugt vom positiven Effekt seiner wirtschaftlichen Aktivitäten auf die Umwelt und die Lebensbedingungen der Menschen in Morarano.

Der „African Center for Biosafety“ (ACB) beurteilt das Wirken der
Gesellschaft anders. Die Organisation wirft SERDEX vor, einfach eine lang
bekannte afrikanische Praxis mit einem Patent belegt zu haben. „Patente
können nur für neue Ideen und Innovationen vergeben werden. Uraltes
traditionelles Wissen kann niemals patentiert werden. Um der
Patent-Gesetzgebung zu genügen, musste das traditionelle Wissen erst
arglistig in einen wissenschaftlichen Jargon überführt werden, der es dann
als Innovation ausweist“, erklärt die ACB-Leiterin Mariam Mayet. Zudem
kritisierte sie die wundersame Preissteigerung von Ambiaty auf dem Weg „out of Africa and back again“. Ein ganzes Jahresgehalt müssten die MadagassInnen für ein bisschen Ambiaty-Creme aufbringen.

Aber nicht nur mit Ambiaty und Madecassoside macht SERDEX gute Geschäfte. Neben der Herstellung von freiverkäuflichen Arzneien vermarktet das Unternehmen zusätzlich noch Substrate aus einer chinesischen Ginseng-Pflanze für kosmetische und medizinische Zwecke. Und die Mutter-Gesellschaft selber betätigt sich ebenfalls mit großem Erfolg als Biopirat. So produziert der Pharma-Riese sein Diabetes-Mittel GLUCOBAY mit Hilfe des Bakterium-Stammes Actinoplanes SE50, den er aus dem kenianischen Ruiru-See gefischt hat. Zu einem Umsatz von 315 Millionen Euro verhalfen die fleißigen Bakterien dem Präparat im Geschäftsjahr 2009.

Der Leverkusener Multi bricht jedoch nicht nur in Afrika zu Expeditionen
auf. In China beauftragte er BotanikerInnen vom Kunming-Institut damit, die
heimischen Wälder nach verwertbaren Naturstoffen zu durchforsten. Zweimal sind sie schon fündig geworden - die Substanzen befinden sich bereits in der klinischen Erprobung. Und auf der Suche nach kostbaren Rohstoffen begibt sich der Konzern sogar auf Tauchstation: Gemeinsam mit dem Unternehmen MAGELLAN BIOSCIENCE GRUPPE INC. schaut er sich in den Weltmeeren nach Mikroorganismen um, deren Abwehrstoffe sich zur Herstellung neuer Pestizide eignen.

Der Handel mit solchen Substanzen aus genetischen Ressourcen hat eine große wirtschaftliche Bedeutung. 2005 betrug allein der globale Umsatz mit
Medikamenten, die aus der Natur-Apotheke stammen, 37,2 Milliarden Dollar.
China als das Land mit den reichhaltigsten Vorkommen führte von 1991 bis
2003 jedes Jahr durchschnittlich eine Menge von 150.600 Tonnen an
pflanzlichen Rohstoffen für Arzneien aus; der Wert dieser
Phytopharmaka-Exporte betrug 266 Millionen Dollar.

Völlig unreguliert dürfen diese Geschäfte seit einiger Zeit nicht mehr
ablaufen. Die 1992 auf dem Umweltgipfel von Rio verabschiedete
Biodiversitäts-Konvention der UN hat Bestimmungen für den Umgang mit den natürlichen Ressourcen der Menschheit erlassen. „Die Ziele dieses
Übereinkommens (...) sind die Erhaltung der biologischen Vielfalt, die
nachhaltige Nutzung ihrer Bestandteile und die ausgewogene und gerechte
Aufteilung der sich aus der Nutzung der genetischen Ressourcen ergebenden
Vorteile“, heißt es in dem Papier. Eine solche „ausgewogene und gerechte
Aufteilung“ hat der Leverkusener Multi nie vorgenommen. In dem Patent, das
er 1995 auf das GLUCOBAY-Fertigungsverfahren angemeldet hat, hielt er es
nicht einmal für nötig, auf die kenianische Herkunft des
Actinoplanes-Stammes zu verweisen. Darum werfen Mariam Majet und die
weiteren Verfasser der Studie „Out of Africa: Mysteries of Access and
Benefit Sharing“ dem Pillen-Hersteller und den anderen Plünderern vor, gegen
das Artenschutz-Abkommen verstoßen und „eine totale Respektlosigkeit
gegenüber afrikanischen Ressourcen“ an den Tag gelegt zu haben. BAYER weist die Anschuldigungen zurück. „Das Original wird nicht genutzt. Was patentiert wurde, ist das Biotechnologie-Produkt“, erklärte die Unternehmenssprecherin Christina Sehnert.

Hier eine Klärung herbeizuführen, ist die UN-Deklaration wenig geeignet. Sie
verfügt nämlich über kein Instrumentarium, um die Einhaltung der Richtlinien
zu kontrollieren und gegebenenfalls Sanktionen zu verhängen. Und Big Pharma tut alles dafür, dass das auch so bleibt. Während ihr US-Verband PhRMA sogar tatkräftig dabei mithalf, den damaligen US-Präsidenten George Bush sen. von der Ratifizierung des Abkommens abzuhalten, bekennt sich der von BAYER gegründete „Verband der Forschenden Arzneimittelhersteller“ hierzulande zwar zur Konvention, versucht aber mit allen Mitteln, ihren unverbindlichen Charakter zu erhalten. Die verschiedenen Bundesregierungen haben BAYER & Co. dabei stets tatkräftig unterstützt. Rot-Grün schickte 2001 sogar einen BAYER-Mann als ihren Experten zu einer Sitzung der Konvention über die biologische Vielfalt. Dort wandte sich der Manager dann strikt gegen eindeutige Regularien, die den Zugang zu den Naturstoffen und die finanziellen Ansprüche der Herkunftsländer festlegen. Das stünde der unternehmerischen Freiheit entgegen, so der Konzern-Vertreter in offizieller Mission, der stattdessen freiwillige Vereinbarungen mit den Staaten als Mittel der Wahl empfahl.

Auf der 10. Rio-Nachfolgekonferenz, die letzten Herbst im japanischen Nagoya stattfand, haben sich dann wieder Vertreter aus Philipp Röslers
Gesundheitsministerium und aus der EU-Verwaltung als Sachwalter der
Industrie-Interessen betätigt. Sie arbeiteten eifrig daran, den
Geltungsbereich des Abkommens zu beschränken. Unter der zahlungspflichtigen „Nutzung von genetischen Ressourcen“ wollten die Unterhändler nur den Gebrauch des kompletten Erbgutes verstanden wissen, nicht aber denjenigen einzelner Moleküle oder anderer Bestandteile, damit BAYER weiterhin sagen kann: „Wir haben das Original nicht genutzt“. Und Krankheitserreger, die sich zur Produktion von Impfstoffen eignen, sollten nach Ansicht dieser Emissäre ebenfalls nicht unter die Nutzungsbestimmungen fallen. Die bundesdeutschen Gesundheitsministranten setzten sich so hartnäckig für eine
solche Ausnahme-Regelung ein, dass die gesamten Verhandlungen zu scheitern drohten. Das FORUM UMWELT & ENTWICKLUNG sah sich deshalb sogar zu einem Offenen Brief an Minister Rösler gezwungen. „Hören Sie auf, als Anwalt der Pharma-Industrie den internationalen Umweltschutz zu gefährden! Geben Sie die extreme Definition von Ausnahmefällen für Pathogene in den Nagoya-Verhandlungen auf, mit denen Ihr Ministerium Deutschland und Europa international isoliert hat“, mit diesen Worten forderte das Forum den FDP-Politiker zur Umkehr auf.

Der Appell hat schließlich Wirkung gezeigt. Auch mit der engen Definition
von genetischen Ressourcen konnten sich die reichen Staaten nicht
durchsetzen. Zudem mussten sie eine Verschärfung des Passus‘ zum
finanziellen Ausgleich akzeptieren. Trotzdem ziehen Michael Frein, Mitglied
des Forum-Leitungskreises und Referent beim evangelischen
Entwicklungsdienst, und der Biodiversitätsexperte Hartmut Meyer keine
positive Bilanz. „Die Entwicklungsländer stehen nicht ganz mit leeren Händen
dar, das Ergebnis ist jedoch weit von ihren Zielen entfernt und spiegelt
sehr viel deutlicher die Interessen der Industrieländer“, schreiben die
beiden im Rundbrief des Forums. Das Abschluss-Dokument enthalte zwar einige gute Ansätze, betonte Michael Frein gegenüber Stichwort BAYER, aber ob es wirklich gegen Biopiraterie wirke, sei „abhängig von der Umsetzung“. Und da zeigte sich Frein eher skeptisch, weil Nagoya die Implementierung der
Beschlüsse ins Belieben der Unterzeichner-Nationen gestellt hat. BAYERs
Beutezüge dürften also einstweilen weitergehen.

Coordination gegen BAYER-Gefahren
Coordination gegen BAYER-Gefahren / Coalition against BAYER-Dangers
Tel 0211-333 911, Fax 0211-333 940

Gruß,
Clematis23
 
Oben