Korpsgeist - Kollegialität oder Korruption

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Am siebten Januar 2005 verbrannte in einer Zelle der Polizeidienststelle in Dessau ein Mensch. Oury Jalloh: Oury Jalloh ? Wikipedia

Zwei Beamte wurden für den grausamen Tod verantwortlich gemacht. Heute wurden sie frei gesprochen. Nicht aber wegen erwiesener Unschuld:

Der Vorsitzende Richter einer Strafkammer kapitulierte. Er erklärte einen Prozess als gescheitert. Nicht, weil es - wie es in Prozessen ja vorkommt - keine Zeugen gab, die Indizien nicht ausreichten oder Spuren verwischt waren. Manfred Steinhoff, Richter am Landgericht Dessau-Roßlau, kapitulierte, weil ausgerechnet jene Behörde, die dem Rechtsstaat dienen soll, ein rechtsstaatliches Verfahren unterminiert und am Ende eine Verurteilung der Angeklagten verhindert hat: die Polizei...

www.netzeitung.de/politik/deutschland/1229600.html

Nun ist es ja nichts Neues, dass BerufskollegInnen auf besondere Weise zusammenhalten. Das hat meiner Ansicht nach auch Vorteile und ist durchaus wichtig und sinnvoll. Aber wohl nicht um jeden Preis.
Die Weisheit des Volksmundes dazu ist bekannt „Eine Krähe hackt der Anderen kein Auge aus!“

Hier war es nun so, dass die komplette Polizeibelegschaft über 20 Monate hinweg nachweislich die Unwahrheit sagte und sich einzelne Zeugen „nicht mehr erinnern“ konnten. Nachweisbar ist auch, dass es mehrere Treffen der Zeugen – und Beamter niedriger und höherer Laufbahnen – gegeben hat, bei denen Aussagen aufeinander abstimmt und Vertuschungsmanöver besprochen worden seien.

Problem Korpsgeist?


Korpsgeist bedeutet, dass sich Mitglieder mit einem Gruppenverband identifizieren (Gruppengefühl). Hierdurch sollen die Angehörigen vor allem dazu motiviert werden, gemeinsame Ziele zu erreichen. Der Begriff steht auch für Standesbewusstsein und mit negativer Bedeutung auch für Standeshochmut und Dünkel. ………………….Besonders im Militärwesen, in Studentenverbindungen und zum Teil bei Polizeien ist der Korpsgeist stark verbreitet.
Korpsgeist ? Wikipedia

………Die Übeltaten einzelner Polizeibeamter sind schlimm genug. Das eigentliche Skandalon liegt aber in der Bereitschaft der übrigen Polizei, Rechtsbrüche aus ihrer Mitte hinzunehmen und zu kaschieren………..
Korpsgeist: | Nachrichten auf ZEIT ONLINE
…….Straftaten von Kollegen anzuzeigen mag jedem Polizeibeamten schwerfallen. Aber ein Staatsdiener, der kriminelle Kollegen begünstigt, schadet der Rechtsgemeinschaft mehr, als ein Berufsverbrecher es je könnte…….

Korpsgeist: | Nachrichten auf ZEIT ONLINE
Korruption (lat. corruptus – bestochen) im juristischen Sinn ist der Missbrauch einer Vertrauensstellung in einer Funktion in Verwaltung, Justiz, Wirtschaft, Politik oder auch nichtwirtschaftlichen Vereinigungen oder Organisationen, zum Beispiel auch Stiftungen, um einen materiellen oder immateriellen Vorteil zu erlangen, auf den kein rechtlich begründeter Anspruch besteht. Korruption bezeichnet Bestechung und Bestechlichkeit, Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung. Im politischen Sinn ist Korruption nach einer Definition des Politikwissenschaftlers Harold Dwight Lasswell die Verletzung eines allgemeinen Interesses zu Gunsten eines speziellen Vorteils.

In einer weiter gefassten Definition bedeutet Korruption auch „moralische Verdorbenheit“............
Korruption ? Wikipedia

Mehr zum Thema:

41. Prozesstag Warum starb Oury Jalloh? ? Der Prozeß


Strukturelles Problem Polizei | philtrat

Herzliche Grüße von
Leòn
 
Einen Gruß an Alle,


dass die beiden verantwortlichen Beamten die Unwahrheit über den (Tat)hergang gesagt haben, hatte das Gericht bereits zur Prozesseröffnung, im Mai 2007, vermutet:
Sie haben angeblich verspätet auf den Feueralarm reagiert und so den Tod verschuldet. Bei der Kontrolle sei das Feuerzeug nicht entdeckt worden. Der Richter vermutet eine Falschaussage. Nach Gutachtenlage würde der Mann bei rechtzeitiger Hilfe noch leben.
Dessau: Polizei wird Falschaussage zum Tod eines Asylbewerbers vorgeworfen

Angenommen, sie wären schuldig, der unterlassenen Hilfeleistung, der Körperverletzung mit Todesfolge, des Totschlages oder gar des Mordes, dann wäre das schlimm genug. Aber es wäre zumindest menschlich nachvollziehbar und man könnte sagen: ein paar "schwarze Schafe gibt es überall".

Aber hier liegt ja noch ein ganz anderes Thema vor. Hier hat meiner Wahrnehmung nach eine ganze Polizeidienststelle, bzw. ein Komissariat, "zusammengehalten", Kollegen gedeckt, Zeugen unter Druck gesetzt, die Wahrheit verdunkelt und gelogen.

Dem richter, Manfred Steinhoff, der am 08. 11. 08 das Urteil sprach und begründete, kann man nur Respekt aussprechen. Denn durch ihn wurde die ganze Tragweite der Misere deutlich und die Dramatik der Situation in Dessau, wenn nicht der Polizeit überhaupt.

Um 17.30 Uhr hebt er damit an, Gründe für den Freispruch vorzutragen. Nun kommt alles andere als erwartet.

– Das Verfahren habe in einem rechtstaatlichen Sinne als Wahrheitssuche nicht stattfinden können.

– Die Suche nach einem angemessenen Urteil sei in über 60 statt in sechs Sitzungen daran gescheitert, daß auf dem Boden sumpfiger Wahrscheinlichkeiten und unzuverlässiger Indizien keine harten Tatsachen und stimmigen Indizien hätten gesichtet werden können.

– Dafür aber seien drei miteinander zusammenhängende Gründe verantwortlich: eine unzureichende staatsanwaltliche Zeugenvernahme und Klageschrift (letzteres deutete der Richter nur an); eine Polizeibehörde, die nicht nur das Verfahren ungehörig zu beeinflussen suchte, sondern lebenswichtige Vorkehrungen insbesondere in der Gewahrsamzelle und in Sachen Feuerschutz zu treffen schlampig versäumte; insbesondere aber ein anhaltendes Lügenspinnen der polizeilichen Zeugen, die Angeklagteneingeschlossen. Jede und jeder habe berufliche Pflichten versäumt und statt dessen nach dem Prinzip des Opportunismus sich verhalten: Rette sich, wer kann. Darum häuften sich Fehlaussagen, Widersprüche, zu spät kommende Erinnerungen, groteske Kompetenzmängel und ähnliches mehr. Darum seien die Ermittlungen durch eine bunte Kette von »Pleiten, Pech und Pannen gekennzeichnet gewesen«.
10.12.2008: Zum Urteil im Prozeß um den Tod von Oury Jalloh (Tageszeitung junge Welt)

– »Sie, dieses Corps der Polizeibeamtinnen und -beamten, die Leitung eingeschlossen – alle haben dem Rechtsstaat geschadet.« Der Freispruch erfolge, weil das Gericht »im Namen des Volkes« zur Wahrheit verpflichtet sei. Diese sei von der Polizei von Lügen zugehängt worden. ::::::
10.12.2008: Zum Urteil im Prozeß um den Tod von Oury Jalloh (Tageszeitung junge Welt)

Herzliche Grüße von
Leòn
 
Die Politiker machen es jeden Tag vor. Sie sind ein einziger Korrupter Haufen der die großen Betrüger deckt, ja sogar Beihilfe zum Betrug betreiben, und die Otto Normalverbraucher, die sich auf den „Rechtsstaat“ verlassen müssen, ins offene Messer laufen lässt, wenn sie z.B. gegen die Betrügerbanken klagen, weil sie von denen belogen und betrogen wurden.

Da werden Richter ausgewechselt, ein ganzer Senat (3.Senat) aufgehoben und ein neuer Senat (11.Senat) ins Leben gerufen. Der 3.Senat hat sich für die betrogenen Anleger entschieden, und gegen die Betrügerbanken. Der 11.Senat, unter dem obersten Richter Nobbe, entscheidet jetzt für die Banken, und Richter Nobbe hat auch kein Problem damit, von dieser Bank gegen die diese Klagen laufen, hohe „Beraterhonorare“ einzustecken, da er auch nebenbei für diese Arbeitet. Das schöne ist, dass das alles Rechtlich in Ordnung ist. Aber ich würde mal sagen die Hand die mich füttert beiße ich nicht.

Deutschland steht schon lange nicht mehr für Recht und Gesetz, sondern für Seilschaften und Betrug im großen Stiel. Betrug am Bürger.

Warum sollen es da die Beamten anders machen, wenn die es jeden Tag von ihren Chefs vorgemacht bekommen wie´s läuft ? Recht und Gesetz sind nur noch zwei ausgehöhlte Worte ohne jede Bedeutung. Recht bekommen ist nur noch eine Geldfrage und eine Frage deß längeren Hebels, an dem der Otto Normalverbraucher nun mal nicht sitzt!

Franz
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Rosenheimer,

habe ganz vielen Dank für Deine Antwort!

Warum sollen es da die Beamten anders machen, wenn die es jeden Tag von ihren Chefs vorgemacht bekommen wie´s läuft ?
Ja, das kann ich gut nachvollziehen. Vorbildhaftes Verhalten wäre da natürlich, was Veränderungen betrifft, unabdingbar!Allerdings denke ich nicht, dass man das von mir angesprochene Phänomen nur mit "Modelllernen" erklären kann ;)!

Dieser Korpsgeist, der Wahrheitsfindung und am Ende sogar Gerechtigkeit (in diesem Falle Gerechtigkeit für Oury Jalloh) verhindert, ist meiner Ansicht nach strukturell tief verankert und natürlich nicht nur bei der Polizei vorhanden. Und er geht über die "Normale Korruption" :)schock:), bei der es um Macht- und Geldgier geht, noch ein Stück hinaus.

Man mag mich naiv nennen;), denn ich habe mir unter demokratischen Bedingungen etwas anderes vorgestellt.

Herzliche Grüße von
Leòn
 
Es gibt da noch etwas, was die Polizisten dazu bringt es mit Recht und Gesetz nicht soooooo erst zu nehmen. Wie oft passiert es, daß ihnen Täter ins Gesicht lachen und sagen, "du kannst mir gar nichts". Wenn Täter andere Menschen, z.B. ihre Ex Freundin bedrohen, und die Polizisten müßen ihr sagen, "tut mir leid, aber solange der nicht ernst macht können wir nichts tun". Dann werden sie von den Opfern beschimpft, vom Täter verhöhnt, und sie dürfen wieder abziehen. Wenn es dann später passiert, dann wird wieder von der Presse und den Bürgern gesagt, "ja wo war sie den, die Polizei". Das soll jetzt nicht heißen sie haben richtig gehandelt, aber das war offensichtlich wieder einer der im Suff Frauen betatschte und unter der Gürtellinie anmachte, und sie, die Polizisten, dürfen ihn dann zum Ausnüchtern abholen, dürfen sich von dem Typen eine Menge Dreck anhören, und sollen auch noch sein Kindermädchen spielen. Da kann man schon mal zuviel bekommen. Und die Politik sorgt per Gesetz dafür dass die Polizei gegen solche Täter keine Handhabe hat, sowie die Richter sind nur genervt von solchen Typen, und lassen sie wieder auf gehen, das Ergebnis sieht man ja oft wenn wieder mal jemand von Polizeibekannten Gewalttätern erschlagen wird. Schläger, die von der Polizei x-mal unter Einsatz ihres Lebens in die Zelle gesteckt werden, und die unter Einsatz eines Hirnlosen Richters gleich wieder auf die Gesellschaft losgelassen werden, weil er keine Lust hat sich mit dem Fall zu befassen.

Es ist eine Schweinerei was da passiert ist, aber dass die Polizisten sich "ihr eigenes Recht" basteln kann ich ein bischen verstehen. Und eben wie im Beitrag oben schon gesagt, sie haben ja Vortänzer die jeden Tag Recht und Gesetz verhönen in den höchsten Rängen der Politik.

Da soll man dann brav weiter jeden Tag seinen Kopf hinhalten? ....wofür?

Franz
 
Hallo Rosenheimer,

ja, verstehen kann ich das auch. Allerdings nicht für gut und richtig befinden. Im Gegenteil Das Phänomen finde ich sehr besorgniserregend, weil es eben nicht nur bedeutet, dass sich ein paar Polizisten gegenseitig decken, sondern dass da ganz offenbar strukturelle Machenschaften vorliegen, die „dem Bürger/ der Bürgerin“ nur schaden können. Und Demokratie sieht meiner Meinung nach anders aus ;)!

Hallo Uta,

Ich kann nicht beurteilen, welche Version der Geschichte, die auf jeden Fall scheußlich ist, der Wahrheit entspricht.
In der SZ las sie sich etwas anders als im Posting von Leon:

Prozess um Tod in Polizeizelle - Bis aller Rauch verzogen ist - Panorama - sueddeutsche.de

Gruss,
Uta

Das Problem ist ja, dass wir den wahren Tathergang nicht wirklich erfahren werden. Meine zitierten Artikel beziehen sich auf die Zeit ab dem 08. 12. 08, ab dem „Urteilsspruch“ und die Kommentare , die der Richter von sich gegeben hat.

Am neunten Dezember habe ich einen Kommentar im Radio gehört, der sich mit den von mir zitierten Artikeln deckte, nämlich dass es – laut dem Richter – konspirative Zusammenkünfte der beteiligten Polizisten und Angehörigen aller hierarchischen Ebenen gegeben habe, dass ZeugInnen versetzt wurden, die Aussagen zurück gezogen haben, sich nicht mehr erinnern konnten und so weiter. Also genau so, wie ich es aus amerikanischen Polizei – Thrillern ;) kenne.

Herzliche Grüße von
Leòn
 
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