Der Staat greift nach den Kindern

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26.06.06
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Familiengerichte sollen durch eine anstehende Gesetzesänderung in die Lage versetzt werden, auch ohne den bisher erforderlichen Nachweis von elterlichem Versagen, Maßnahmen zum "Wohl des Kindes" anzuordnen.

Erziehungsersetzende Hilfeleistungen sind dann nicht mehr ausschließlich an das "elterliche Versagen" des § 1666 BGB geknüpft, sondern könnten willkürlich bestimmt und entschieden werden. Was tatsächlich dem "Wohl des Kindes" entspricht, soll nun allein durch den Staat interpretiert werden. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls wird in den kommenden Wochen im Bundestag beraten.

Wenn die von Eltern im Interesse ihrer Kinder getroffenen Erziehungsvorstellungen von denen der staatlichen Behörde abweichen, müssen Eltern allein schon deswegen mit dem (Teil-) Entzug der Sorgeberechtigung rechnen. Es reicht an das alte DDR-Recht heran, bei dem für Eltern die Verpflichtung galt, "mit den für die Bildung und Erziehung Verantwortlichen eng zusammenzuarbeiten", weil die Erziehung "Aufgabe und Angelegenheit der gesamten Gesellschaft" ist. Es ist allgemeiner Konsens, dass dies zu drastischen Fehlentwicklungen geführt hat.

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Gruß von bartel
 
Hallo Barthel,:)

ob eine derartige Überschrift der differenzierten Problematik gerecht wird? - Der § 1666 BGB regelt den gerichtlichen Schutz des Kindeswohls:

§ 1666
Gerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls

(1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen durch missbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge, durch Vernachlässigung des Kindes, durch unverschuldetes Versagen der Eltern oder durch das Verhalten eines Dritten gefährdet, so hat das Familiengericht, wenn die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden, die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßnahmen zu treffen.

....

(3) Das Gericht kann Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge ersetzen.

(4) In Angelegenheiten der Personensorge kann das Gericht auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen.
§ 1666 BGB Gerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls

Der Gesetzesentwurf soll die Durchführung des § 1666, mit dem Ziel, gefährdete Kinder (Missbrauch, Misshandlung, Vernachlässigung) früher und besser zu schützen, erleichtern.
Angesichts der drastisch zunehmenden Fälle gravierender Misshandlungen und schwerwiegender Vernachlässigungen, aus unterschiedlichen Gründen, kann ich das im Grundsatz nur begrüßen!

Einzelne Punkte im Gesetzesentwurf, der zur Beratung ansteht, https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/068/1606815.pdf mögen zu hinterfragen sein, insgesamt finde ich es richtig, die Möglichkeiten der Gerichte - bzw. der Institutionen, deren Aufgabe der Schutz von Kindern - und damit auch Familien ist - zu verbessern und damit den Einsatz schützender und sekundärpräventiver Hilfen beschleunigt einsetzen zu lassen.

Immer wenn, wie leider so oft in letzter Zeit, ein neuer Fall von Kindestötung, grausamer Vernachlässigung usw., geschehen ist, wurde - teilweise zu Recht, teilweise zu Unrecht, auf die Behörden, die betreuenden Dienste und so weiter, geschimpft und die schlimmsten Vorwürfe wurden laut.
Das Problem war aber zu oft, dass die entsprechenden Behörden eben nicht die rechtlichen Möglichkeiten haben, frühzeitig einzugreifen. Wenn das anders wird, kann ich das zunächst einmal nur richtig finden!

https://www.soziales.bremen.de/sixcms/media.php/13/Artikel 1.pdf

www.hans-wendt-stiftung.de/fileadmin/Eule/die_Eule_01.pdf

Herzliche Grüße von
Leòn
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn sich jeder Elternteil seiner Verantwortung gegenüber seinem Kind bewußt wäre und für seine Entwicklung und Erziehung wirklich sorgen würde, wären solche Gesetze und Überlegungen gar nicht nötig.
Gerade in den letzten Jahren hat sich aber immer mehr Fällen gezeigt, daß es mit der Verantwortung von Eltern ihren Kindern gegenüber offensichtlich oft nicht so weit her ist. Wie sonst kann man tote Säuglinge und Kinder durch Brutalität und Vernachlässigung zugleich erklären?
Soll man das im Sinne der "Nichteinmischung" des Staates nun einfach so belassen?
Ich finde, das geht nicht. Also muss überlegt werden, wie Kinder verantwortungsloser Eltern (warum auch immer) erst einmal geschützt werden, weil sie selbst sich noch nicht schützen können.

Gruss,
Uta
 
Ich denke, daß die Gesetze ausreichen, wenn sie endlich einmal angewandt werden würden.

Den Jugendämtern waren teilweise diese Fälle bekannt, sind aber nicht eingeschritten. Da nutzt das beste Gesetz nichts.


Tracy
 
Hallo Tracy,

das stimmt so nicht ganz. Bislang ist die gesetzliche Lage so, dass etwas "passieren muss", damit die Familiengerichte handeln können. Das könnte, durch eine Stärkung der präventiven Eingriffsmöglichkeiten von Jugendämtern - Gerichten verändert und verbessert werden. Dazu bedarf es in der Tat gesetzlicher Veränderungen.

Herzliche Grüße von
Leòn
 
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