AD(H)S-Symptomatik im Erwachsenenalter

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Auch Erwachsene können unter AD(H)S leiden.



von Dr. Martin Winkler, ADS-Spezialist, ADD-online

Symptomatik im Erwachsenenalter

Unaufmerksamkeit mit und ohne Hyperaktivität

Als Leitsymptom im Erwachsenenalter imponiert häufig ein Gefühl bzw. eine auffällige Leistungsschwache, nicht alle Ziele zu erreichen, die man sich gesteckt hat.

Hierbei lassen sich als mögliche Ursachen zusammengefasst folgende Kernbereiche unterteilen:

Kognitive Auffälligkeiten

Probleme mit der Zeitstrukturierung und Selbstorganisation.
Fehlendes Zeitgefühl bzw. Problem zur Zeitstrukturierung: Leben nur im "Jetzt" oder "später" (also nie). Typisch sind Verspätungen, vergessene Termine für Treffen oder eine Hektik, Aufgaben in letzter Minute zu beenden.
Probleme, Vorhaben überhaupt anzufangen ("auf-die-lange-Bank-schieben").
Alltagsaufgaben (Steuererklärung, Haushalt, Behördengänge) werden nicht erledigt.
Übermässige Unordnung ("Krankheit der Stapel")
Übermässige Probleme, sich an Anweisungen / Regeln zu halten (z.B. Übertretungen im Strassenverkehr).
Desorganisation von Arbeitsabläufen besonders bei mehreren Aufgaben gleichzeitig.
Häufiger Arbeitsplatzwechsel / Kündigungen.
Gegebenenfalls "Überkompensation" durch extrem zwanghaft-perfektionistisches Verhalten.
Oder aber: Totaler Rückzug und Vermeidung (z.B. übermässiges Schlafbedürfnis bei Unfähigkeit zur eigenständigen Tagesstrukturierung).

Veränderte Daueraufmerksamkeitsspanne:

Konzentrations- und Leistungsfähigkeit sind besonders vom Interesse abhängig. Dabei kann einerseits eine fehlende Aufmerksamkeit, aber auch ein Hyperfokussieren auf eine Sache imponieren, so dass ein Versinken in eine Tätigkeit von besonderem Interesse besteht. Zumeist wird jedoch versucht, einen dieser beiden Extremzustände zu vermeiden. Hierbei fallen u.a. auf:
Inkonsistentes Arbeiten ("Könnte, wenn er nur wollte").
Unvollständiges Erledigen oder Vergessen von Aufgabenteilen, Abbrechen von Routineaufgaben ohne erkennbaren Anlass.
Fehlende Aufmerksamkeit / Tagträumerei bei geistiger Anstrengung oder in Gruppensituationen.
Betroffene Person scheint oft nicht zuzuhören, abwesend zu sein ("Borderline narcoleptic").
Verständnisschwierigkeiten für den Kontext, z.B. in der Schule oder bei Sitzungen.
Gelesenes bzw. der Gesamtinhalt wird nicht wirklich erfasst. Daraus resultierend: Leseunlust.

Störungen des Arbeitsgedächtnisses

Vergesslichkeit ("Alzheimer im frühen Stadium")
Betroffene Person erscheint mit Terminkalender, Notizbüchern, Zetteln, Karteikarten.
Flüchtigkeitsfehler bei leichten Aufgaben.
Verdrehen von Buchstaben, Telefonnummern.
Kann Erinnerungen nicht abrufen ("ich weiss es, kann es aber nicht sagen").
Ablenkbarkeit, vor allem in monotonen Situationen ("Habe den Faden verloren").

Hypersensitivität und Impulsivität

Hypersensitivität für verschiedene Sinnesqualitäten (Geruch, Berührung, Geschmack, Gehör, Tasten) bzw. emotionale Spannungen, dabei häufig intuitiv begabt, kreativ, hochintelligent.
Stimmungsschwankungen: Stimmungen und Leistungsfähigkeit sind stark von äusseren Bedingungen abhängig (enviormental dependency). Belebende Atmosphäre fördert, triste Bedingungen lähmen.
Überempfindlichkeit für emotionale Reaktionen / Temperamentausbrüche
Extremes Gefühlsleben ("roller coaster")

Geringe Stresstoleranz

Erhöhtes Anspannungsniveau (psychophysiologisches Arousal).
Verminderte Habituationsfähigkeit.
Gesteigerte vegetative Empfindlichkeit.
Bei Überforderung / Überreichung: "Nebelgefühl" / "Tunnelblick" bzw. ausgesprochen starkes Ruhebedürfnis (Hypersomnie, Rückzug, "Abschalten").
Neigung, sich chronisch Sorgen zu machen und Ruminationstendenz (Grübeleien).
Ständiges Unsicherheitsgefühl ("etwas ist nicht richtig").
Probleme, sich auf neue Situationen / Umgebungen einzustellen.

Impulsivität

Handeln ohne vorherige ausreichende Reflexion.
Verbale Entgleisungen / zynische Bemerkungen / Provokationen.
Verletzt sich leicht (Unfallneigung).
Tendenz zu aggressiven Impulsdurchbrüchen.
Impulskontrollstörungen z.B. beim Essen, Kaufrausch, Kleptomanie.


Suchtverhalten / hochgradige Stimulierungen ("Adrenalin-Kick")

Assoziation zu Suchterkrankungen (Alkohol, Cannabis, Kokain, Nikotin) im Sinne einer dysfunktionalen "Selbstmedikation" der ADHS.
Riskantes Verhalten (z.B. beim Autofahren, delinquentes Verhalten etc.)
Zwanghafte Verhaltensmuster.

"Klassische" Hyperaktivität

Ruhelosigkeit.
Bewegungsunruhe, Drang zu Laufen.
Betroffene Person kann nicht längere Zeit stillsitzen (Flugzeug, Dauerwelle, Zahnarzt, Esstisch, Krankenbett usw.).
Fingertrommeln, Spielen mit Stiften, Nesteln am Bart oder in den Haaren.
"WENDER-Zeichen": Beim Sitzen starkes rhythmisches Wippen mit den Füssen bzw. Beinen.


Unfähigkeit zur Entspannung

Ständige innere Getriebenheit ("steht unter Strom")
Starkes Unbehagen vor Ruhesituationen / Langeweile. Erzeugt oft kompensatorische "Flucht" in Aktivitäten, Arbeit.
Starker Rededrang / Abschweifen
Schwer zu strukturieren oder zu unterbrechen.


Weitere klinische Besonderheiten bei ADHS

"Paradoxe" Medikamenteneffekte

Aus den neurobiologischen Besonderheiten einer cerebralen Unteraktivität der hemmenden Strukturen resultieren auch scheinbar paradoxe Medikamentenwirkungen bei der ADHS. So werden durch sedierende Medikamente, die eigentlich einen beruhigenden Effekt haben sollen, z.T. erst Unruhe oder Ängste ausgelöst. Beispiele wären antriebsdämpfende Antidepressiva, Benzodiazepine (Valium etc.), und Neuroleptika. Hierbei können dosisabhängig eine verstärkte Unruhe, dissoziative Phänomene (Gefühllosigkeit, Lähmungen oder Fehlwahrnehmungen) oder Narkoseprobleme resultieren.

Exzessiver Konsum von Schokolade, Kaffee, Kola, Energydrinks, Nikotin

Aus den zuvor dargestellten neurobiologischen Besonderheiten wird deutlich, dass stimulierende Substanzen wie Schokolade, Coffein (enthalten auch in einigen Schmerztabletten!) zu einer Aktivierung der gestörten inhibitorischen Prozesse beitragen können. Dies kann einerseits zu einer "Unverträglichkeit" für diese Substanzen, andererseits aber bei vielen ADHS-Betroffenen zu einem sehr exzessivem Konsum führen, damit die Leistungsfähigkeit morgens oder z.B. vor Prüfungen überhaupt auf ein Minimum erhöht werden kann.

Schlafstörungen

Schlafstörungen (Insomnien bzw. Hypersomnien) gehören noch nicht zu den Diagnosekriterien der ADHS, sind jedoch in ihrer Form durchaus charakteristisch für dieses neurologische Krankheitsbild. Typischerweise fallen schon in der Kindheit Schlafstörungen (Einschlafstörungen, Schlafwandeln, Pavor nocturnus) auf. Im Erwachsenenalter geben die Patienten Einschlafstörungen, z.B. aufgrund eines "Gedankenspringens" an.

Dann wird häufig ein vorzeitiges Erwachen gegen 4 Uhr angegeben, wobei paradoxerweise danach eine ausgeprägte Morgenmüdigkeit (auch trotz ausreichender Schlafdauer) bestehen kann. Im EEG lassen sich dann Veränderungen im Übergang zu Schlafstadien mit vermehrter Delta- bzw. Theataaktivität besonders frontal nachweisen. Hierbei lassen sich diese Schlafstörungen auch gegenüber der Insomnie bei depressiven Störungen meist deutlich abgrenzen.

Andererseits fällt bei vielen ADHS-Patienten auch eine Hypersomnie von 10-12 Stunden auf. Dies besonders dann, wenn zuvor eine Überforderung aufgetreten ist, oder aber ein Anreiz (z.B. Arbeit) fehlt.

Die klinische Symptomatik der ADHS speziell bei Frauen

Die überwiegende Mehrzahl von Verlaufsuntersuchungen zur klinischen Symptomatik der ADHS im Erwachsenenalter beschränkte sich bisher auf die Nachbeobachtung von Jungen oder und Mädchen und ist auf geringe Fallzahlen begrenzt (Mannuzza, 1984). Bei Mädchen findet man besonders den sog. "unaufmerksamen Typus" der ADHS (Gaub, 1997). Schon formal gestaltet sich die Diagnose einer ADHS bei Mädchen derzeit jedoch noch ausgesprochen schwierig (Berry, 1985). Nach den geltenden Diagnosekriterien müssten hierzu klinische Symptome vor dem 7. Lebensjahr nachweisbar sein. Da jedoch aufgrund einer Oestrogenabhängigkeit des klinischen Erscheinungsbildes die Einschränkungen erst mit bzw. weit nach der Pubertät manifest werden können, werden die Symptome dann nicht mit der Diagnose ADHS in Verbindung gebracht (Fink, 1996).

Ablenkbarkeit, starke Tagträumereien, Impulsivität oder chronische dysphorische Stimmungen werden dann häufig allein als Symptome der Pubertät angesehen. Ein plötzlicher Leistungsverlust bzw. kognitive Einschränkungen eines bis dahin strebsamen und braven Mädchens bzw. ein radikale Änderungen im Verhalten (z.B. Drop-out in die Drogenszene) sollte immer auch an eine ADHS denken lassen. Als sehr charakteristisch gilt das vermehrte bzw. sehr heftige Auftreten von prämenstruellen Beschwerden im Sinne eines Prämenstruellen Syndroms (PMS) bzw. einer sog. Prämenstruellen dysphorischen Störung (PMDS). Dies sollte auch für die Diagnostik von im jugendlichen Alter auftretenden psychischen Störungen wie Angststörungen, Essstörungen oder Suchterkrankungen oder Impulskontrollstörungen gelten.

Dabei kann insbesondere auch die Abgrenzung hinsichtlich einer Bipolaren Störung, einer "agitierten" oder "atypischen" Depression oder einer Persönlichkeitsstörung schwierig sein. Häufig liegt dabei wahrscheinlich eine Komorbidität verschiedener Syndrome vor. Typisch wäre z.B. die Entwicklung von sozialen Ängsten bzw. Unsicherheiten durch die Grundstörung, die durch ein niedriges Selbstwertgefühl bzw. fehlende soziale Lernerfahrungen das Risiko für die spätere Entwicklung weiterer Störungen wie z.B. einer Panikstörung oder einer depressiven Störung erhöht.



Aus: www.adhs.ch August 07
 
Symptomatik im Erwachsenenalter

und noch mehr zu diesem Thema:

aus AWMF online, deutsche Gesellschaft für Psychiatrie

Verlangt für eine sichere Diagnose im Erwachsenenalter werden Aufmerksamkeitsschwäche und Hyperaktivität neben zwei der unter den Punkten 3 – 7 aufgeführten Charakteristika.

Aufmerksamkeitsstörung:
Gekennzeichnet durch das Unvermögen, Gesprächen aufmerksam zu folgen, erhöhte Ablenkbarkeit (andere Stimuli können nicht herausgefiltert werden), Schwierigkeiten, sich auf schriftliche Dinge oder Aufgaben zu konzentrieren, Vergesslichkeit, häufiges Verlieren oder Verlegen von Gegenständen wie Autoschlüssel, Geldbeutel oder der Brieftasche.

Motorische Hyperaktivität:
Charakterisiert durch das Gefühl innerer Unruhe, Unfähigkeit, sich zu entspannen, „Nervosität“ (i.S. eines Unvermögens, sich entspannen zu können – nicht antizipatorische Ängstlichkeit), Unfähigkeit, sitzende Tätigkeiten durchzuhalten, z.B. am Tisch still sitzen, Spielfilme im Fernsehen ansehen, Zeitung lesen, stets „auf dem Sprung“ sein, dysphorische Stimmungslagen bei Inaktivität.

Affektlabilität:
Diese charakteristische Stimmungsstörung wird nicht in DSM-IV beschrieben. Sie bestand gewöhnlicher weise schon vor der Adoleszenz, gelegentlich schon so lange, wie sich der Patient erinnern kann. Gekennzeichnet ist sie durch Wechsel zwischen normaler und niedergeschlagener Stimmung sowie leichtgradiger Erregung. Die niedergeschlagene Stimmungslage wird vom Patienten häufig als Unzufriedenheit oder Langeweile beschrieben. Die Stimmungswechsel dauern Stunden bis maximal einige Tage (hat das Verhalten bereits zu ernsthaften oder anhaltenden Schwierigkeiten geführt, können sie sich ausdehnen). Im Gegensatz zur „major depression“ (endogene Depression) finden sich kein ausgeprägter Interessenverlust oder somatische Begleiterscheinungen. Die Stimmungswechsel sind stets reaktiver Art, deren auslösende Ereignisse zurückverfolgt werden können. Gelegentlich treten sie aber auch spontan auf.

Desorganisiertes Verhalten:
Aktivitäten werden unzureichend geplant und organisiert. Gewöhnlich schildern die Patienten diese Desorganisation in Zusammenhang mit der Arbeit, der Haushaltsführung oder mit schulischen Aufgaben. Aufgaben werden häufig nicht zu Ende gebracht, die Patienten wechseln planlos von einer Aufgabe zur nächsten und lassen ein gewisses „Haftenbleiben“ vermissen. Unsystematische Problemlösestrategien liegen vor, daneben finden sich Schwierigkeiten in der zeitlichen Organisation und Unfähigkeit, Zeitpläne oder Termine einzuhalten.

Affektkontrolle:
Der Patient (und sein Partner) berichten von andauernder Reizbarkeit, auch aus geringem Anlass, verminderter Frustrationstoleranz und Wutausbrüchen. Gewöhnlich sind die Wutanfälle nur von kurzer Dauer. Eine typische Situation ist die erhöhte Reizbarkeit im Straßenverkehr im Umgang mit anderen Verkehrsteilnehmern. Die mangelhafte Affektkontrolle wirkt sich nachteilig auf Beziehungen zu Mitmenschen aus.

Impulsivität:
Einfache Formen hiervon sind Dazwischenreden, Unterbrechen anderer im Gespräch, Ungeduld, impulsiv ablaufende Einkäufe, und das Unvermögen, Handlungen im Verlauf zu protrahieren, ohne dabei Unwohlsein zu empfinden.

Emotionale Überreagibilität:
Der Patient ist nicht in der Lage, adäquat mit alltäglichen Stressoren umzugehen, sondern reagiert überschießend oder ängstlich.Die Patienten beschreiben sich selbst häufig als schnell „belästigt“ oder gestresst.


aus: https://www.uni-duesseldorf.de/awmf/ll/038-014.htm Aug. 07
 
"Suchtverhalten / hochgradige Stimulierungen ("Adrenalin-Kick")

Assoziation zu Suchterkrankungen (Alkohol, Cannabis, Kokain, Nikotin) im Sinne einer dysfunktionalen "Selbstmedikation" der ADHS.
Riskantes Verhalten (z.B. beim Autofahren, delinquentes Verhalten etc.)
Zwanghafte Verhaltensmuster. "

mit sowas GAR NICHT ERST ANFANGEN !!!

Keine Krankheit der Welt ist ein Entschuldigungsgrund für mehr eigene Zerstörung !

Ich esse nicht mal MonCheri.....

Vllt bin ich deshalb auch weniger erfahren (zum glück eig)

Liebe Grüße

Euer Milan
 
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