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Dieses Thema taucht immer wieder auch hier im Forum auf, meistens im Zusammenhang mit Co-Abhängigkeit und Suchtproblemen.

Ich denke aber, daß das Helfer-Syndrom auch ohne Suchtproblematik ein wichtiges Thema ist, das oft von den Betreffenden gar nicht erkannt wird, weil sie sich gut fühlen so, wie sie sich verhalten.
Daß durch ihre "ich bin eine große Hilfe, die andere Person braucht mich, um glücklich zu werden"-Haltung sie selbst und die Geholfenen aber trotz bester Absichten oft nicht glücklich sind, mag daran liegen, daß eigene Bedürfnisse gar nicht gesehen werden oder verleugnet werden.
Wenn dann evtl. sogar zwei Menschen mit Helfersyndrom aufeinandertreffen, die allerdings verschiedene "Hilfsziele" haben, wird es spannend und meistens traurig.

Hier wird über das Helfersyndrom geschrieben (nach Schmidbauer):

Das Helfer Syndrom

Du spazierst durch einen ziemlich einsamen Wald und hörst irgendwo lautes Hilfegeschrei. Du siehst, daß eine Frau ziemlich verletzt in einer 3 Meter tiefen Grube liegt. Du denkst – Um Gottes Willen, die arme Frau, springst rein und leistest Erste Hilfe, tröstest und sprichst ihr Mut zu. Und nun? Vor lauter Mitleid hast Du nicht daran gedacht, daß es Dir jetzt ebenso dreckig geht wie der Frau. Du sitzt nämlich fest, kommst selbst nicht raus und mußt selbst um Hilfe schreien, bis Dich irgendjemand hört. Wenn sich alle so verhalten würden, sitzten irgendwann 10 Leute in der Grube und schreien um Hilfe
...
» Thesen von Wolfgang Schmidbauer:
- Der Helfer versucht seine eigenen Schwächen und Probleme dadurch zu relativieren, indem er sich mit Menschen beschäftigt, denen es noch schlechter geht.
- Der Helfer ist nicht ernsthaft daran interessiert, daß seine Hilfe fruchtet, da er sonst die Möglichkeit verliert, seine Probleme zu relativieren.

» Die Merkmale des Helfersyndrom-Helfers:
- H. sind kontaktscheu, schwach ängstlich und hilfsbedürftig – was sie allerdings verleugnen
- scheinbare Stärke und Sicherheit bekommt der Helfer von Schwächeren, die sich an ihn wenden
- H. helfen manchmal gegen den Willen einer Person
- sie können Hilfe von außen nicht annehmen – sie denken sie sind die Einzigen die sich und anderen helfen können
- sie helfen bis zur völligen Selbstaufgabe
- eigenes ICH wird völlig ignoriert

Viele Menschen „flüchten“ sich in helfende Berufe, um sich selbst ihre Abhängigkeit von Anderen nicht eingestehen zu müssen.
...
https://www.altenpflegeschueler.de/psychologie/das-helfer-syndrom/

Wer noch mehr von W. Schmidbauer sehen und hören möchte ... ;):
https://www.google.com/search?client=safari&rls=en&q=wolfgang+schmidbauer,+video&ie=UTF-8&oe=UTF-8

Grüsse,
Oregano
 
Hallo Oregano,
mich hat dieses Thema sehr lange beschäftigt, denn diesen "Stempel" habe ich oft aufgedruckt bekommen. Nun in den vielen Jahren mit dem sogenannten Helfer - Syndrom sehe ich alles mit einer tiefen Gelassenheit.

Es heißt immer, dass Menschen womöglich an einem Helfersyndrom leiden, die ständig nach dem Gefühl streben, gebraucht zu werden oder schlecht "Nein" sagen können.

Was wären wir ohne diese Menschen, denn anderen helfen ist gut, der Mensch ist ein soziales Wesen und auf andere Menschen angewiesen.
Es ist seine eigene Entscheidung - sein Ich - auch wenn es oft bis zur Selbstaufgabe geht.

Was ich nicht will, was man mir tut......:bang:

Ich helfe, wenn Hilfe benötigt wird, nicht um mich besser zu fühlen und kann dabei nicht immer rational denken.
Sorry, ich wollte nur einmal kurz meine Gedanken zu diesem Thema mitteilen.:eek:)

Liebe Grüße von Wildaster
 
Das sehe ich genauso. Anderen zu helfen ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Stärke. Viele Tierarten, die in sozialen Verbänden leben, halten es übrigens genauso. Elefanten retten z. B. andere Elefanten, die zu ertrinken drohen, auch wenn sie sich damit selbst in Gefahr bringen. :cool:

Es gibt eine Tendenz in der Psychologie, wirklich jedes normale menschliche Verhalten für krankhaft zu erklären. Damit verdienen die ihr Geld. Ob ich wohl den Herrn Schmidbauer retten würde, wenn er in eine tiefe Grube gestürzt wäre? ;)
 
Für mich gibt es kein Helfersyndrom und scheint mir eine Erfindung von Menschen zu sein, die nicht gerne helfen, um sich zu rechtfertigen.
Dann lieber schweigen und andere machen lassen.
Entweder ich helfe gerne und verliere kein Wort drüber oder garnicht.

Beste Grüße von Kayen
 
Hallo zusammen!

Ich denke beim Helfersyndrom ist nicht das Helfen aus Mitgefühl, Gemeinschaftssinn und Menschlichkeit primär gemeint, sondern eines, das dem Helfenden gewaltigen Eigennutz bringen kann.
Natürlich gibt Helfen IMMER ein Gefühl, etwas Sinnvolles, Wichtiges zu tun, das ist wichtig im Mensch-sein, aber:

Zwei Formen der Hilfe

solidarisch:
Ist primär am Nutzen dessen ausgerichtet, der die Hilfe empfängt.
Wägt ab und entscheidet, gegebenenfalls zu helfen.
Behält das Ganze im Blick (solidaire = für das Ganze haftend). V
Bleibt selbstbewusst.

pathogen:
Ist an unbewussten psychologischen Bedürfnissen des Helfers ausgerichtet.
Reagiert stereotyp auf Signale der Bedürftigkeit und das eigene Bedürfnis, beachtet zu werden.
Verengt Fokus und Bewertung auf den Akt der konkreten Hilfsleistung, in dem er selbst eine angesehene Rolle spielt.
Ist selbstvergessend oder selbstverleugnend.

Helfersyndrom

Ich kann das durchaus bestätigen. Es gibt Helfer, bei denen man z.B. ganz offensichtlich sehen konnte, dass es ihnen um ihre "angesehene, wichtige Rolle" geht, die ihnen liebend gerne zugestanden und zugesprochen wird durch ihr Unentbehrlich werden. Sie reagieren sogar fast gekränkt, wenn andere es genauso gut könnten, sie Arbeit/Hilfe - auch zum Schutz ihrer eigenen Kräfte abgeben sollten. Sie schienen sich entbehrlich zu fühlen und genau das schlecht zu vertragen. Im Gegenzug dazu formulierten sie dann irgendwann Vorwürfe der Überlastung und des Frustes.

Liebe Grüße von Felis
 
Es ist wohl auch ein Unterschied, ob man freiwillig als Privatmensch gelegentlich Hilfe leistet oder ob man das professionell betreibt. Im Berufsleben wird eher mit anderen verglichen, es geht auch um Verdienst, Karriere und die Rangordnung. Hinzu kommt natürlich die Gefahr von Überdruss bis hin zum Burn-Out, wenn man jeden Tag wieder und wieder helfen muss und die Arbeitsbedingungen ausbeuterisch sind. Das alles auf die persönliche Macke 'Helfersyndrom' zu reduzieren, finde ich zu oberflächlich.
 
MaxJoy, ja auch das stimmt. Allerdings meine ich, dass man "Helfersyndrom" schon an gewissen "psychischen" - oder charakterlichen (?) Dingen festmachen kann.

Ich denke, das ist den Menschen mit einem echten Helfersyndrom manchmal überhaupt gar nicht bewusst.

Wie gesagt: Helfen wollen ist ein feiner menschlicher Zug, aber....
Es gibt natürlich auch Menschen, die selbstlos helfen bis kurz vor dem Zusammenbruch- auch da kommt es auf die Umstände an, klar.
In"akuter Not" ist etwas komplett anderes als "braucht dauerhaft Hilfe".

Und noch etwas: Man darf nicht vergessen. Helfer besitzen oftmals Macht.
Auch ein Gefühl, das gut im Auge gehalten werden sollte, da es um Grenzen geht. Um eigene, wie fremde.
Und nur wer gut auf seine Kräfte aufpasst kann Grenzen wahren. :)
 
Ich denke, daß es bei einem "Helfer-Syndrom" eine große Grauzone gibt. Natürlich ist Hilfsbereitschaft für Andere eine gute Sache, da gibt es gar keinen Zweifel.
Es geht hier aber um ein "Syndrom", also ein Verhalten, eine Äußerung von Körper/Geist/Seele, die zeigt, daß etwas nicht stimmt und deshalb zu Krankheiten führen kann.

Erst in diesem Zusammenhang : das starke Bedürfnis oder auch die Suche/t zum Helfen, um sich selbst stark zu fühlen und entsprechende Entzugserscheinungen, wenn sich keine Gelegenheit zum Helfen findet, macht das Helfer-Syndrom aus. Anders ausgedrückt: wenn ich andere zum Zwecke des Mich-besser-Fühlens ausnutze und nicht wirklich an deren Wohlsein interessiert bin, dann wird es krankhaft.

Und solche Menschen gibt es! - Was Felis schon angesprochen hat: wenn solche Menschen evtl. auch noch eine Machtposition mit Entscheidungsfreiheit haben, kann das schief laufen. Kann - muß nicht.
Solange der Geholfene sich anpasst und seinem Helfer folgt, ist alles gut, abgesehen davon, daß der Geholfene die Chance nicht ergreifen kann, für sich selbst zu denken und sich selbst zu helfen. Stellt sich der Geholfene aber gegen den Helfer, kann ihm das evtl. schlecht bekommen. Und dann ist etwas schief gelaufen.

Denn - so denke ich - Hilfe sollte freiwillig sein, beginnen und enden. Hilfe sollte immer im Einverständnis und mit Verständnis erfolgen. Hilfe sollte nicht über Grenzen gehen sondern immer resepektvoll bleiben und Grenzen respektieren. Und: Hilfe soll nicht selbstzerstörerisch werden (s. Beispiel).

Mit dem Satz "aber ich habe doch nur Dein Bestes gewollt" ist schon viel Unheil umgeschrieben worden. Trotzdem war es meistens Unheil.

Grüsse,
Oregano
 
Hilfe sollte freiwillig sein, beginnen und enden. Hilfe sollte immer im Einverständnis und mit Verständnis erfolgen. Hilfe sollte nicht über Grenzen gehen sondern immer respektvoll bleiben und Grenzen respektieren

Ich komme noch einmal auf diesen Satz zurück. Wenn man ihn weiter denkt, kommt man zum Begriff "übergriffig". Dann werden die Grenzen eines Menschen nicht mehr akzeptiert und beachtet, sie werden überschritten.
Das kann vor allem bei Menschen, die schon früh in ihrem Leben die Erfahrung von ständigem Übergreifen gemacht haben, schlimm sein und zerstörerisch.
Deshalb finde ich es ganz wichtig, sehr genau hinzuschauen, mit wem man es zu tun hat, wo alte Narben liegen, wie so ein Mensch auf Hilfsangebote, die evtl. übergriffig sind, reagiert.

... Übergriffige Menschen glauben, anderen helfen zu müssen. Sie glauben, im Sinne der angeblich Hilfebedürftigen zu handeln. Dabei wissen sie noch nicht einmal, ob andere, die sie für hilfsbedürftig halten, erstens ihre Hilfe brauchen und zweitens ihre Hilfe wollen. Denn gefragt haben sie sie nicht. Der Grund ist, dass sie tatsächlich glauben, zu wissen, was für die anderen gut oder schlecht ist, und zwar besser als diese selbst. Dieses Phänomen ist unter dem Begriff Helfersyndrom bekannt. Es dient den übergriffigen Menschen dazu, sich selbst größer zu fühlen als andere. Weil sie in Wirklichkeit ganz klein und mickrig sind.
...
https://suedelbien.wordpress.com/2013/03/09/ubergriffige-menschen/

Es ist nicht uninteressant, sich die Beschreibungen von
Übergriffige Menschen .....
anzuschauen und zu überlegen, was auf einem selbst zutrifft...

Grüsse,
Oregano
 
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